Ein CoronaTag

Die bunte Glitzerwelt der Madame M. von und zu Martinelli-Boticelli, in der Corona Zeit.

Hausbegehung an einem Corona-Tag im März 2020

Ich, Madame M. von und zu Martinelli-Boticelli, komme ursprünglich aus dem Hause Wolfff. Meine Familiengeschichte reicht leider noch nicht sehr weit zurück. Aber seit ich, außer bei den Wolfffs ebenfalls bei den Martinellis und Boticellis zu Hause bin und dort ein und aus gehen kann, ist mein Leben um einiges bunter geworden. Dieser große Familienclan sah mich in den letzten Jahren öfter als erträumt. Jetzt allerdings mußte ich die Besuche von einem auf den anderen Tag einstellen, denn die ganze Welt lebt bereits seit mehreren Wochen, wir haben März 2020, in sehr schwierigen Zeiten. Weil sich leider  ein Virus ausgebreitet hat, das Corona-Virus, an dem weltweit schon viele Menschen gestorben sind. Deshalb haben viele Länder bereits Ausgangssperre verhängt, so auch Spanien. Es hat sich in dieser Zeit, leider vieles geändert. Man darf das Haus oder die Wohnung nur noch verlassen um Lebensmittel einzukaufen oder den Hund Gassi zu führen, falls man denn einen hat. Aber sogar diese Gänge müssen sehr kurz ausfallen.
Alle anderen Geschäfte und Fabriken mussten ihre Pforten bereits schließen, also auch die Martis und Botis. Damit ist das Leben, nicht nur für mich, sehr ernst geworden. Ich habe zwar keine finanziellen Einbußen, aber der Kontakt zu dieser Familie ist mir strikt verboten worden. Doch wie soll ich sie auch besuchen und unterstützen, wenn die mich nicht mehr reinlassen. Also muß ich mir für diese Zeit, die ich in Quarantäne sitze, aber zum Glück im eigenen Haus mit Grundstück, etwas einfallen lassen. Und das habe ich getan. Außer den Hundespaziergängen wollte ich am Tag noch mehrere Hausumdrehungen machen, um nicht nur auf der Couch rumzusitzen. Die fielen aber leider ins Wasser. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wir hatten die letzten zwei Wochen fast nur Regen, Regen, Regen und nochmal Regen. Ein guter Freund von uns hätte es als „Hamburger Schietwetter“ bezeichnet, und damit hätte er voll Recht gehabt. Also blieb ich, bis auf die Hundespaziergänge, meistens drinnen, saß aber trotzdem nicht nur auf der Couch rum. Die ersten Tage hatte ich mich mal wieder gründlich um den Haushalt gekümmert. Aber diese Arbeit hat mir noch nie so richtig gefallen, also ließ ich mir gleichzeitig etwas anderes einfallen.

 

Nach fast zwei Wochen Hausarrest, bin ich gestern darauf gekommen, eine komplette Hausbegehung zu machen. Und damit habe ich heute angefangen. Es ging damit los, dass ich mir etwas bequemes, aber schickes, anzog. Dazu ein paar gute Laufschuhe, die ich mir aus meiner „kleinen“ Schuhwunderwelt aussuchte. Denn es sollte ja auch Spaß machen, und ich wollte zudem auch noch gut aussehen. Außer zwei Katzen und einem Hund habe ich unterwegs allerdings leider niemanden getroffen, dem ich mein sportliches Outfit hätte präsentieren können. So, jetzt war ich endlich am Start. Es ging im Wohnzimmer, im Süden los. Allerdings konnte man bei diesem Wetter vom Süden nichts erkennen. Vorher machte ich aber noch einen kleinen Abstecher in die Küche zum Kühlschrank. Dort holte ich mir ein Wasser raus und nahm es mit auf meinem Ausflug. Denn wer weiß, ob es unterwegs noch was geben würde. Für einen Wein oder Prosecco war es übrigens noch zu früh, denn ich wollte ja einen klaren Kopf behalten, und auf meinem Rundgang auch nicht ins Torkeln kommen. Nachdem ich den Wohn-Küchenbereich verließ, überquerte ich die Empfangshalle. Besser gesagt, den Äquator. Denn die Empfangshalle lag in der Mitte der Villa, die gleichzeitig den Nord- und den Südteil trennte. Jetzt kam ich übrigens an den verschiedensten Zimmern und Gemächern vorbei, sowie an zwei Bädern, im Ostflügel. In einem dieser Bäder tat übrigens eine Waschmaschine, aus dem Hause Miele, gerade ihre Arbeit. Das andere war ein reines Wellness Bad, was ich später ganz sicher noch genießen werde. Gegenüber des 1. Bades, im Westen, liegt das Katzenzimmer, welches zur Zeit nur noch von drei Katzen bewohnt wird. Hier wird ein Teil des edlen Fußbodens übrigens als Esstisch benutzt, der immer reichlich gedeckt ist. Weiter ging es im Westen zum Schlaftrakt. Und richtig interessant wurde es im Norden. Dort befand sich, übrigens auf dem letzten Teil meiner Reise durchs Haus, eine große Wand mit einem riesigen Regal. Alle Fächer voll gestellt, aber gleichzeitig schön dekoriert, mit den schönsten Erinnerungsstücken aus meinem Familienhaus Martinelli-Boticelli, sowie aus einigen anderen traumhaften Häusern aus ganz Europa. Es funkelte und glitzerte aus fast jedem Regal. Von der Farbvielfalt und den verschiedenen Typen und Macharten ganz zu schweigen. Ich stieß auf Sneakers, Booties, Highheels, Budapester sogar Wanderschuhe und Regenstiefel und einige andere Arten, sowie z.B. orientalische Schnabelschuhe. Das war ein Anblick, ich war überwältigt. Und nicht nur das, ich war auch für alle Fälle gewappnet. Ich kann ausgehen, Hundespaziergänge machen, elegante oder sportliche Stadtbegehungen, oder wie in diesem Fall, auch bequeme Hausbegehungen, sowie sogar auf Berge kraxeln oder durch Pfützen stapfen. Und viele von diesen schönen und seltenen Exemplaren hatte ich schon lange nicht mehr gesehen, geschweige denn getragen. Außerdem war ich erstaunt, wieviele es überhaupt waren. Bei diesem Anblick bekam ich augenblicklich Heimweh zu meiner Familie Marti-Boti. Aber ich mußte mich wohl erst noch länger auf Besuchsverbot einstellen, was mir aber bei dieser Vielfalt letztendlich dann doch nicht soviel ausmachte. Um meine Erinnerungen noch etwas aufzufrischen, nahm ich einen nach dem anderen aus dem Regal und hielt ihn in meinen Händen. Ich schaute ihn von allen Seiten an, sogar von innen, drehte und wendete ihn, bevor ihn ihn dann letztendlich, nach langer Zeit, mal wieder anzog. Ich bestaunte außerdem die handwerklichen Künste. Wow, war das ein Anblick, kaum zu fassen, auf was für eine Schatzkiste ich da gestoßen war. Ich muß allerdings leider zugeben, daß ich beim vorsichtigen rausnehmen einiger Exemplare, das eine oder andere Staubkorn entdeckte. Unvorstellbar, dass mir dieses passieren konnte. Ich nahm natürlich sofort einen weichen, leicht angefeuchteten Lappen um diese Staubkörner zu entfernen. Ich schwor mir, mich in Zukunft mehr um meine Lieblinge zu kümmern, damit sie niemals in Atemnot gerieten. Aber der Staub war noch nicht das schlimmste. Es kam noch schlimmer. Im oberen Regal entdeckte ich ein sehr betagtes Paar, aber immer noch sehr gepflegt und modern, also auch immer noch ausgehfähig, bei dem der Rechte seine Sohle gelockert hatte. Wie konnte das passieren? Ich hatte ihn doch gar nicht so oft getragen. Jetzt mußte schnell gehandelt werden. Ich nahm ihn sofort raus, damit er die anderen und vor allen Dingen seinen Linken, der immer dicht bei ihm war, nicht ansteckte. Ich stellte ihn getrennt von allen anderen. Man könnte von Quarantäne sprechen. Und was das bedeutet, weiß ich inzwischen recht gut. Zum Glück sprechen wir noch von eigener Hausquarantäne. Ich kann ihn momentan nichtmal zum Schuharzt bringen, denn auch der hat seine Türen bereits geschlossen. Es ist aber auch noch nicht so ernst und er hat noch gute Überlebenschancen, er wird wieder gesund werden. Ich bin sehr zuversichtlich. Aber die Vorsichtsmaßnahmen, wie Trennung und Staubfreiheit müssen natürlich sein und eingehalten werden. Außerdem halte ich sowieso nichts davon, dass die Rechten und die  Linken zusammen auf die Straße gehen. Das gibt nur Ärger. Ist aber in diesem Fall wohl kaum vermeidbar, nicht einmal lösbar.

 

So, jetzt machte ich mich wieder auf den Rückweg. Weiteres Spannendes war unterwegs sowieso nicht mehr zu entdecken. Trotzdem machte ich nochmal einen flotten Einschwung in jedes Zimmer, um in Bewegung zu bleiben. Denn aus der Ferne sah ich im Süden, das  immer noch dunkle Wolken am Himmel waren, weshalb die Hausumdrehungen draußen sowieso flach fielen. Der Hund schlief inzwischen fest in seinem Hundebett, die beiden Katzen hatten sich rechts und links von mir platziert, als ich wohlbehalten wieder im Wohnsalon angekommen war und auf der Couch Platz nahm.  Draußen immer noch Wind, Kälte und grauer Himmel. Kein einziger Berg mehr in Sicht. Alles in allem, die ganze Zeit sehr ungemütlich. Vielleicht hat Petrus ja auch Ausgehverbot und darf nicht arbeiten. Es kann nicht nur, es muß auch besser werden. Und das nicht nur das Wetter.

Das oben Geschriebene, von meinem super Schuhparadies, ist natürlich leicht übertrieben. Zugegeben, es sind zwar viele, aber so viele nun auch nicht. Außerdem  hat jeder seinen Tick, der Eine sammelt Briefmarken, Porzellan, Kunst oder was auch immer, und meine Leidenschaft sind eben Schuhe. Und alle zusammen sind nicht einmal halb so teuer wie eine Blaue Mauritius. Aber viel bunter.

Els Poblets/Spanien (zu Hause) 27. März 2020.