Mord im Stadthotel

Ein Kurzkrimi

Der Wecker klingelt. Es ist sieben Uhr. Für mich ist es noch früh, aber auf den Straßen herrscht schon reger Verkehr. Die Sonne scheint bereits, und der Himmel ist wolkenfrei. Es sieht aus, als könnte es ein schöner Tag werden. Also stehe ich sofort auf, ohne den Wecker noch einmal nachklingeln zu lassen. Ich ziehe mir meinen Morgenmantel über, gehe kurz ins Bad und kreuze danach den Flur, um mir in der Küche als erstes einen starken Kaffee zu machen. Über Alexa habe ich meinen Lieblingssender eingeschaltet und höre jetzt zwischen Nachrichten und Werbung die schönste Musik aus den letzten 30 Jahren. Dieses ist Musik aus meiner Jugend, die mir aber immer noch gut gefällt und natürlich die eine oder andere Erinnerung in mir wieder wachrüttelt. Während ich Musik und meinen ersten Kaffee genieße, schlage ich den heutigen Tag in meinem handgeschriebenen Terminkalender auf. Ja, da staunt ihr, was? Dass es heute in unserer digitalen Welt mit Handy und Computer diese altmodischen Terminkalender überhaupt noch gibt. Da ich aber bereits seit Anfang meiner Berufszeit die schönsten ledergebundenen Kalender besitze und auch mit guten Kugelschreibern gerne darin schreibe, möchte ich dieses edle Hobby nicht einfach aufgeben, nur weil es inzwischen modernere Techniken gibt. Es gibt ja noch genug andere Sachen, die man nicht verweigern kann und wo man mit der Zeit gehen muß. Aber dieses kleine Hobby möchte ich beibehalten. Ich habe nach meiner Mittleren Reife Speditionskaufmann gelernt und bin bis heute ganz zufrieden damit. Könnte vielleicht noch schöner sein, wenn ich eine Frau an meiner Seite hätte, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Im Moment genieße ich jedenfalls meine Freiheit noch. Auf der heutigen Kalenderseite steht um 10:00h ein Termin.  Dieses ist ein sehr wichtiger Termin, obwohl es nur um einen Abholungsauftrag bei der Firma Möbel Müller am Stadtrand im Industriegebiet geht. Also ein Botengang. Diese Firma gibt uns ab und zu Aufträge etwas zu transportieren, wenn es über die Stadt- und Landesgrenzen hinausgeht. Natürlich fragte ich meinen Chef, warum ein Mitarbeiter in meiner Position, als Leiter der kaufmännischen Abteilung, jetzt zum Boten erklärt wird und diesen Auftrag nicht der Lehrling ausführen kann. Da mein Chef noch nie große Reden liebte, wenn es nicht unbedingt nötig war, antwortete er nur knapp: das Päckchen sei zu wertvoll, um dass man damit einen Lehrling im 2. Lehrjahr beauftragen könnte. Den Inhalt wollte er mir nicht verraten, ich sollte nur das Päckchen abholen und nur ihm persönlich aushändigen. Weitere Fragen duldete er nicht. Er war aber sonst ganz umgänglich und ich kam gut mit ihm aus. Ich glaube, er hat selber nicht genau gewußt, was sich im Päckchen befand. Na das klang ja geheimnisvoll, und ich machte mir so meine Gedanken. Wird doch wohl nichts, na ja ….. sein? Tisch und Stühle, eine Couch oder Betten waren für ein Päckchen, was man in der Hand tragen konnte ja wohl etwas zu groß. Was konnte es sein? Es blieb ein Rätsel. Mein Chef, Hannes Weimer, ist ein angesehener und beliebter Mann in der Stadt, hatte auch schon mal für das Bürgermeisteramt kandidiert. Leider hatte sein Gegner ihn um ein paar Stimmen übertrumpft. Ein 2. Mal wollte er nicht mehr kandidieren, obwohl er noch jung genug gewesen wäre. Aber in der Kommunalpolitik ist er geblieben. Seine Firma, die er jetzt mit seinem Sohn führt, ist eine große, weit über die Grenzen hinaus bekannte Import- Exportfirma in 2. Generation, die seine Eltern vor dem 2. Weltkrieg aufgebaut hatten. Seine hübsche, jüngere Frau, die Michaela, ist zwar auch sehr beliebt, aber mehr bei den Männern, was ihm gar nicht gefällt. Er ist nicht sonderlich eifersüchtig, doch wiederholtes Fremdgehen paßt nichtmal ihm, zumal sie an seiner Seite steht und ihren guten Ruf bewahren sollte. Schließlich geht es ja auch um die Firma. Sogar der Lehrling machte ihr schöne Augen, was alle Mitarbeiter merkten, nur der Chef nicht. Oder er wollte es nicht merken, denn für ihn war der Lehrling sowieso noch ein Grünschnabel. Michaela hatte sogar das Gefühl, dass dieser Grünschnabel sie manchmal verfolgt, wenn sie ausgeht.

 

Inzwischen war es 8:00h und im Radio brachten sie die neuesten Lokalnachrichten. Es gab einen Leichenfund in einem Hotelzimmer eines kleinen aber bekannten Hotels in der Innenstadt. Der Tote war ein junger Mann, im Alter von ca. 25 - 30 Jahren. Ausweispapiere fand man nicht bei ihm, weshalb die Polizei seine Identität noch nicht feststellen konnte. Die Gerichtsmedizinerin entdeckte einen glatten Durchschuss im Brustbereich, an dem das Opfer verblutet sein muß. Offensichtlich benutzte der Täter eine herkömmliche Waffe mit Schalldämpfer, denn es hat im ganzen Haus keiner etwas gehört. Außerdem funktionierten ausgerechnet in dieser Nacht die Überwachungskameras nicht, da diese erst am nächsten Tag von einem Sicherheitsservice repariert werden sollten. Hat der Täter das mit den ausgefallenen Kameras gewußt? Er konnte jedenfalls ungesehen davon kommen. Oder gehörte er zum Hotelpersonal und hat das Hotel gar nicht verlassen? Für die Polizei waren also noch etliche Fragen offen, es gab also viel zu tun. Mehr gaben die Nachrichten im Augenblick nicht preis. Aber was kümmere ich mich darum, geht mich ja nichts an. Die Polizei wird schon ihre Arbeit machen und den Täter früher oder später finden. Ich habe meine eigene Arbeit, werde jetzt erstmal eine erfrischende aber schnelle Dusche nehmen, mich anziehen und dann um 10:00h meinen Termin wahrnehmen. Von meiner Wohnung aus sind es nur ca. 20 Minuten mit dem Auto bis zu Möbel Müller. Ich traf um 10:04h bei der Firma ein, ging durchs Hauptportal und meldete mich beim Pförtner.

Guten Morgen! Mein Name ist Nikki Wittman, ich komme von der Firma Weimer, Im- und Export. Ich soll hier was abholen. 

Guten Morgen, wie war doch gleich ihr Name?

Wittmann, Nikki. 

Ah ja, gehen Sie zu Herrn Huber, der wartet schon auf Sie, 1. Stock, 3. Tür rechts!

Vielen Dank!

Ich ging die Treppe hoch und klopfte an. 

Herein.

Guten Morgen Herr Huber, ich bin Nikki Wittman von der Fa. Weimer. Ich soll hier ein brisantes Päckchen für meinen Chef abholen. 

Herr Huber war ein großer, kräftiger Mann, ca. Anfang 30, elegant gekleidet und sehr freundlich. Er war auf meinen Besuch schon vorbereitet und hatte das Päckchen gleich zur Hand. Es war etwas kleiner als ein Schuhkarton, nicht schwer und war nicht beschriftet, dafür aber mit einem breiten Klebestreifen an allen Ecken und Kanten gut zugeklebt. Ich konnte also nicht einmal rein blinzeln. 

Herr Wittman, sagte Herr Huber zu mir, paßen Sie gut darauf auf und geben Sie es bitte nur Ihrem Chef, dem Herrn Weimer.

Selbstverständlich, das werde ich. 

Wir verabschiedeten uns und ich fuhr den kurzen Weg zu unserem Firmengebäude, was ebenfalls im Industriegelände lag. Meine Gedanken waren tief im Päckchen. Was mag daa wohl drinnen sein? Ob der Chef es mir verrät, wenn ich es ihm gebe? Vielleicht öffnet er es ja in meinem Beisein. Ich erreichte also unser Firmengelände, und wer stand auf meinem Parkplatz? Mal wieder der Lehrling. David Schwarzman. Wie oft habe ich ihm schon gesagt, dass das mein Platz ist. Aber wie öfters bei ihm, ging vieles an ihm vorbei. Das hätte er sich beim Chef nicht erlauben können, er hat es aber auch nie versucht. Ich fuhr notgedrungen ein paar Plätze weiter, was eigentlich nicht so schlimm war, aber es ging ums Prinzip. Außerdem gab es nur drei Plätze mit Schattendächern und die waren für Herrn und Frau Weimer und für mich. Frau Weimer arbeitete übrigens in der Buchhaltung. 

Ich war jetzt im Büro meines Chefs und übergab ihm ordnungsgemäß das geheimnisvolle Päckchen. Er bedankte sich und schickte mich leider gleich wieder raus. Ich wußte also immer noch nicht, was in dem Päckchen steckte. Hm, irgendwann werde ich es schon noch erfahren. 

In dem Hotel, wo der Mord geschah, ging die Polizei inzwischen ein und aus. Sie durchsuchten das Hotelzimmer gründlich nach möglichen Spuren und Fingerabdrücken und befragten sämtliches Personal. Und das alles zum Leidwesen der Hotelleitung. Aber es blieb nicht aus, der Fall mußte irgendwie gelöst werden. Bereits am nächsten Tag berichtete die Lokalzeitung davon, und jeder in dieser Kleinstadt wußte Bescheid. Bei der Vernehmung des Zimmerservices fielen dem vernehmenden Kommissar einige Ungereimtheiten auf. Auf seine Frage:

Wann haben Sie das Zimmer zuletzt betreten?, gab die junge Angestellte, die erst 8 Monate in diesem Hotel arbeitete, sehr zögernd eine ausweichende Antwort. Sie hatte einfach nur Angst etwas falsches zusagen und war deshalb sehr aufgeregt. Als der Kommissar die gleiche Frage nach einer kurzen Zeit nocheinmal wiederholte, gab sie zwar eine Uhrzeit an, aber selbst die klang aus ihrem Munde unglaubwürdig. Sie erzählte, dass sie auf dem Flur jemanden mit eiligen Schritten die Etage verlassen gesehen hatte. Das war etwa gegen 6:00h morgens, als sie ihre Tagschicht anfing. Sie konnte aber nicht erkennen, ob es eine Frau oder ein Mann war.

Da sie diese Person nur kurz und auch nur von hinten sah, konnte die Polizei mit ihrer Täterbeschreibung nicht viel anfangen. Das Zimmermädchen war es übrigens auch, die dann den Toten entdeckte. Als sie ihn unbekleidet und voller Blut auf dem Bett liegen sah, rannte sie sofort zu ihrem Vorgesetzten. Die Befragungen erreichten jeden im Hotel, sogar den Hoteldirektor. Aber auch die Sicherheitsfirma für die Kameraüberwachungen, wurde fragenmäßig von den Kriminalisten auf den Kopf gestellt. Denn es war schon merkwürdig, dass ausgerechnet in der Nacht, bevor die Reparaturarbeiten stattfinden sollten, ein Mord geschieht. Bis jetzt sah es allerdings so aus, als ob dieses nur ein Zufall war. Aber an Zufälle glaubte die Polizei erst zuletzt.

Herr Weimer war alleine in seinem Büro und erwartete heute Vormittag auch keinen Besuch mehr. Er war also ungestört und konnte jetzt endlich sein Päckchen öffnen. Er wußte übrigens wirklich nicht, was er da drin vorfinden würde. Auch für ihn war es eine Überraschung. Und er war überrascht. Was er da sah und dann mitten auf seinen Schreibtisch stellte, erschreckte ihn. Es war ein Schuh, ein schwarz-roter Pumps. Er kannte diesen eleganten Schuh. Es war ein Schuh von dem Paar, welches sich seine Frau erst letzte Woche gekauft hatte. Aber wie kam Herr Huber dazu? Und woher wußte Herr Huber, daß dieser Schuh zu seiner Frau gehörte? Und wenn er das schon wußte, warum schickt er ihn so geheimnisvoll an den Ehemann und bringt ihn ihr nicht direkt zurück? Diese Fragen beschäftigten Herrn Weimer sehr. Er wollte jetzt erstmal mit Michaela sprechen und sie fragen, wie es kommt, dass ihr neuer Schuh auf Umwegen von Herrn Huber zu ihm kommt. Michaela wirkte heute Morgen beim Frühstück schon sehr nervös und übermüdet. Aber weil sie das öfters mal ist, hat er sich noch nichts dabei gedacht. Sie frühstückten beide nebeneinander her, es wurde auch nicht viel gesprochen. Aber auch das ist nichts ungewöhnliches. 

Als Michaela jetzt zu ihm ins Büro kam, war sie erst recht sehr nervös. 

Michaela erkläre mir bitte, sagte er zu ihr, wie Dein neuer Schuh in die Hände von Herrn Huber gekommen ist?

Oh je, dachte sie. Jetzt kommt alles raus. Es war ihr höchst peinlich und unangenehm. Es hatte keinen Zweck um den heißen Brei rum zu reden, sie mußte raus mit der Sprache. Äh, ….ich … Ich habe ihn bei meinem letzten Rendezvous vergessen. 

Wie? Ein Rendezvous mit dem jungen Herrn Huber? 

Nein, natürlich nicht. Ich hatte ein Date mit dem Mann, der gestern Nacht im Hotel ermordet wurde. Du weißt ja sicher schon, daß es im Stadthotel einen Mord gab. Aber mit dem Mord habe ich nichts zu tun, das schwöre ich Dir.

Natürlich weiß ich das, ich bin ja nicht blöd. Aber wie passen Du und Herr Huber darein?

Und wieso verlierst Du Deinen Schuh? Was ist passiert? Werde bitte deutlicher und sag mir die Wahrheit. 

Da ihr Mann diese Fragen stellte und noch nicht die Polizei, womit sie eigentlich eher gerechnet hatte, entschied sie sich, ihm die ganze Geschichte zu erzählen. Sie hatte nämlich ein ganz schön schlechtes Gewissen, weil sie ihm letztes Mal versprochen hatte, nicht mehr fremd zu gehen. Und jetzt kam es durch diesen blöden Mord, doch ans Tageslicht. 

Also, ich sage es Dir gerade heraus. Ich bin wieder fremdgegangen, wie Du sicher selber schon gemerkt hast. Ich entschuldige mich dafür auch und verspreche Dir, dass das wirklich das letzte Mal war. Und das ich nur mit einem Schuh nach Hause gerannt bin, liegt daran, dass dieser Mann, mit dem ich mich im Hotel getroffen habe, kurz bevor ich gehen wollte, erschossen worden ist. Ich war zum Glück gerade im Badezimmer, als ein fremder Mann reinkam, er ein ordentliches Streitgespräch mit meiner Verabredung hatte und ihn dann einfach erschoß. Den Fremden konnte ich nicht erkennen, aber die paar Worte, die ich aufschnappte, klangen ziemlich vertraut. Ich war froh, dass ich ungesehen verschwinden konnte und er mich nicht gleich mit erschossen hatte. Ich rannte danach, so schnell ich konnte, davon. Der 2. Schuh ist dabei auf der Strecke geblieben, weil der genau vor dem Sessel lag, auf dem der Fremde saß. Zum Glück mit dem Rücken zur Tür, sodass er mich nicht sehen konnte und nichtmal bemerkt hatte, als ich mich vorsichtig  raus schlich. Aber wie Herr Huber zu meinem Schuh gekommen ist, kann ich Dir auch nicht beantworten. Das ist mir selbst ein Rätsel. Oder war Herr Huber etwa der Mann, der sich mit meinem Bekannten gestritten hatte? Dann wäre er ja auch der Mörder. Und mich hatte er dann wohl doch bemerkt und auch erkannt, oder? Oh, wie schrecklich, Herr Huber, den wir ja alle schon länger kennen. Und jetzt will er mich wohlmöglich noch als Täterin ausliefern. 

Herr Huber war übrigens kein unbeschriebenes Blatt. So harmlos, wie er aussah, war er ganz und gar nicht. In seiner frühen Jugend ist er der Polizei öfters durch kleinere Diebstähle aufgefallen. Auch bei ernsten Auseinandersetzungen bis hin zu Schlägereien hielt er sich selten zurück. Bei einem Mord vor zwei Jahren, konnte ihm nichts nachgewiesen werden. Er hatte einen Freund, der ihm ein wasserdichtes Alibi gegeben hatte. Einer von den Kriminalpolizisten war zwar nicht endgültig überzeugt, aber sie hatten keine weiteren Beweise gegen ihn, und sie mußten ihn wieder laufen lassen. Er war der Polizei also durchaus bekannt. Darum besaßen sie auch seine DNA und Fingerabdrücke. Fingerabdrücke fand die Polizei natürlich jede Menge am Tatort. Und nicht nur die von Herrn Huber. Nur mußten diese erstmal zugeordnet werden. 

Während die Ermittlungsarbeiten bei der Polizei auf Hochtouren liefen, erledigte ich ebenfalls meine Büroarbeiten. Ich mußte einige Kundentelefonate führen und die sonst übliche Arbeit Schritt für Schritt abarbeiten. Nicht ohne zwischendurch mal einen Kaffee zu trinken oder mit den Kollegen ein Schwätzchen zu halten. Hauptsache die Tagesarbeit war abends erledigt. Nach Büroschluss, dachte ich mir, könnte es eine gute Idee sein, mit den Kollegen noch ein Bierchen trinken zu gehen. Es gab einen gemütlichen Biergarten ganz in der Nähe. Das Wetter war noch traumhaft und vielleicht gab es ja jemanden, der schon etwas mehr über den Mordfall gehört hat oder wußte, was es mit dem ominösen Päckchen für den Chef zutun hatte. Es wäre nur zu schön gewesen, aber alle hatten irgend eine andere Ausrede oder einfach keine Lust. Bis auf unser Lehrling David, der stimmte mir begeistert zu. Er würde gerne mitgehen. Na ja, dachte ich, warum eigentlich nicht, vielleicht hat er ja auch was zu erzählen. Also gingen wir zwei „alleine“. Im Biergarten holten uns was zu trinken, eine Brezn dazu und setzten uns an einen langen Biertisch, der am anderen Ende bereits mit vier Leuten besetzt war. Nach dem anstoßen kamen David und ich langsam ins Gespräch, wenn auch keiner so richtig wußte, womit er anfangen sollte. Wir unterhielten uns erstmal über unsere Arbeit und David erzählte über seine bisherige Lehrlingszeit. Das Thema „Parkplatz“ sprach ich bewußt nicht an, denn mich interessierte mehr, ob er etwas von dem Päckchen wußte. Wahrscheinlich wußte er aber nichts davon. Nach dem zweiten Bier ließ er sich dann über die Chefin aus. Er fragte mich vorsichtig, ob ich wüßte, dass sie sich öfters mit fremden Männern trifft. Meistens in dem Hotel, in dem gestern Nacht der Mord passiert ist. So auch gestern Abend, wie er mir erzählte. 

Nee, das ist mir neu!, sagte ich zu ihm.

Und woher weißt Du das, David?

Ich habe sie bis zum Hotel heimlich verfolgt. Ich wollte wissen, wo sie in dem schicken Outfit hinging. Sie hatte sich gestern nämlich besonders rausgeputzt. Besonders gefielen mir ihre schwarz-roten, hohen Schuhe, mit dem kurzen engen Rock. Darin kamen ihre schlanken, langen Beine so schön zur Geltung. Meistens trägt sie nämlich enge Hosen mit flacheren Schuhen. 

Du glaubst aber doch nicht, dass sie etwas mit dem Mord zu tun hat, nur weil sie am selben Abend, im selben Hotel war?

Nein, das glaube ich nicht, Nikki. Aber merkwürdig ist das doch schon? Oder?

Hm. Sie könnte ja aber auch zu einem anderen Gast ins Zimmer gegangen sein. 

Sie hingen beide ihren Gedanken nach. 

Wollen wir noch ein Bierchen trinken?, fragte David.

Na gut, eins noch, dann reichts aber. 

Ich stimmte zu, weil es noch so ein schöner Abend war, und ich noch keine Lust hatte nach Hause zu gehen. Ich fragte David noch, ob er Herrn Huber von Möbel Müller kenne. 

Natürlich kenne ich den, antwortete er. Wer kennt den nicht. Der ist hier in der Stadt doch bekannt wie ein bunter Hund. Erstens ist er schwul, was ja eigentlich nicht weiter schlimm ist, aber er hat auch eine kriminelle Vergangenheit hinter sich. 

Schwul ist der? Und kriminell auch noch? Was hat er denn angestellt?

Na ja, bisher eigentlich nichts großes. Aber das letzte Mal, ich glaube, vor ca. 2 Jahren, geriet er unter Mordverdacht. Er mußte aber wegen Mangel an Beweisen frei gesprochen werden. 

Das wußte ich alles gar nicht. Könnte er denn was mit diesem Fall zutun haben?

Frag mich was leichteres. Ich bin nicht die Polizei. Aber denkbar ist alles. 

Unsere Biergläser waren inzwischen leer, die Sonne war auch schon untergegangen und wir entschieden uns, nach Hause zu gehen. Morgen ist ein neuer Tag, die Arbeit muß wieder erledigt werden und was bei der Polizei herauskommt werden wir auch noch früh genug erfahren. 

Die Fingerabdrücke von Herrn Huber wurden mit Hilfe des Computerprogramms natürlich  schnell rausgefiltert. Der Kriminalbeamte, der ihn vor 2 Jahren wieder laufen lassen mußte, war an diesem Fall auch wieder beteiligt. Als er den Namen Manfred Huber hörte, klingelte bei ihm ein Glöckchen. Jetzt kriegen wir ihn doch noch, dachte er. Er machte sich sofort mit seinem Partner auf zu Möbel Müller, um Herrn Huber zu befragen. Herr Huber war sichtlich überrascht, als die Beiden, die er noch vom letzten Mal kannte, plötzlich vor ihm standen. 

Guten Tag Herr Huber. So schnell sieht man sich wieder. Wir haben Grund zur Annahme, dass sie eventuell was mit dem neuen Fall im Stadthotel zu tun haben. Deswegen müßen wir Ihnen einige Fragen stellen.

Wo waren Sie vorgestern Nacht zwischen 2:00h und 6:00h? Ich!?

Lassen Sie mich überlegen .… da war ich, ach ja, da war ich erst mit einem Bekannten im Kino und danach waren wir noch in einer Bar. Danach, ca. 4:00h, bin ich alleine nach Hause gegangen und habe bis 8:00 geschlafen. Um 9:00h ist mein Dienstbeginn. 

Wie heißt Ihr Freund? Welchen Film und in welchem Kino haben Sie ihn gesehen, 

und in welcher Bar waren Sie? 

Meinen Freund können Sie gerne befragen. Der war ja bis fast 3:00h mit mir zusammen. Ich kann Ihnen Name und Adresse geben. Aber an den Filmtitel kann ich mich wirklich nicht mehr erinnern. Der Film war so langweilig, dass er mich nicht interessierte. Und das Kino war irgendwo am Stadtrand. 

Haben Sie denn die Eintrittskarte noch? 

Nein, die werfe ich immer sofort weg. 

Und wie hieß die Bar?

Sie stellen Fragen. Bei der Menge an Bars, die es in unserer Stadt gibt, merkt sich doch keiner den Namen wo er einkehrt. Ich weiß nur, dass die irgendwo im Zentrum gewesen sein muß. 

Die Polizei zeigte ihm ein Foto des Toten.

Kennen Sie diesen Mann?

Nie gesehen. Wer soll das sein?

So, so, nie gesehen. Und wie kommen dann Ihre Fingerabdrücke in das Hotelzimmer des Toten?

Und eine Waffe besitzen Sie natürlich auch nicht?

Nein! Selbstverständlich nicht. Die letzte haben Sie mir doch bei meiner letzten Festnahme abgenommen.

Wir werden mit der Spurensicherung wiederkommen und Ihre Wohnung durchsuchen. Und Sie kommen jetzt erstmal mit uns aufs Revier zur weiteren Befragung und um alles zu protokollieren. 

Bei der Vernehmung im Büro verstrickte sich Manfred Huber ständig in Widersprüche. Die Polizei nahm ihn darauf in Gewahrsam und führte ihn dem Haftrichter vor, der ihn dann  sofort in Untersuchungshaft steckte. Seine Wohnung wurde zeitgleich untersucht und der Bekannte wurde auch noch befragt. Dieser sagte allerdings aus, dass sie sich bereits gegen 3:00 h getrennt hatten. Ab da hatte Herr Huber also kein Alibi mehr. Die Polizei kam schon weiter. Der Abstand bis zur Lösung des Falls wurde immer kleiner. Außerdem erfuhren sie von der Rezeptionistin des Hotels, dass die Frau Michaela Weimer in der besagten Nacht bei dem Toten im Zimmer war. Na also, geht doch, sie kamen wirklich immer weiter. 

Am nächsten Morgen mußte ich etwas mit meinem Chef besprechen. Ich klopfte bei ihm an und trat ein. Als ich mich setzte und das Gespräch beginnen wollte, stutze ich für einen Augenblick. Auf dem Regal hinter meinem Chef, sah ich den geöffneten Pappkarton und daneben den schwarz-roten Pumps. Herr Weimer merkte, dass mein Blick auf den Schuh fiel. Er hatte vergessen ihn rechtzeitig in den Schrank zu stellen, bzw. Ihn seiner Frau wieder mitzugeben. Aber jetzt war es zu spät dafür, diesen dort wegzunehmen und ihn in den Schrank zu stellen. Außerdem dachte sich Herr Weimer: was weiß denn schon der Herr Wittmann über diesen Schuh. Tja, da hat sich der Chef aber getäuscht. Ich wußte eine ganze Menge über diesen schwarz-roten Pumps. Schließlich war ich am Vorabend ja mit David im Biergarten. Was mir nur noch ein Rätsel blieb, war, wie der in die Hände von Herrn Huber kam. War der auch im Hotelzimmer des Toten? Oder war der sogar der Mörder? Wird sich alles noch klären, wird sich alles noch klären! Wenn die Polizei den Fall aufgeklärt hat, werden es bald alle erfahren. Ich führte mein Gespräch mit meinem Chef und ging danach wieder an meine Arbeit. Ich wußte jedenfalls endlich was in dem Päckchen war und warum der Chef da so ein Geheimnis draus machte. 

Die Polizei war in ihrer heißen Phase. Der Fall stand kurz vor der Aufklärung. Sie wußten jetzt auch, dass die Frau der bekannten Speditionsfirma, Frau Michaela Weimer, auch mit von der Partie war. Nach gründlicher und getrennter Befragung von ihr und ihrem Mann, kam die Polizei aber zu dem Ergebnis, dass beide die Wahrheit sagten und sie mit ihrer Aussage, aber unbewußt, die Polizei wieder zu Herrn Huber führte. Es stellte sich heraus, dass Herr Huber mit dem Toten eng befreundet war. Sie wollten in Kürze sogar heiraten. Leider ist Manfred Huber dahinter gekommen, dass sein Freund ihn in letzter Zeit öfters betrogen hat, und das ausgerechnet mit Frauen. Der Bekannte des Toten, mit dem Herr Huber an dem besagten Abend im Kino war, hatte ihn verraten, dass sein Verlobter sich an dem Abend im Stadthotel mit einer Frau trifft. Sie kannten sich untereinander nämlich alle, weil sie alle im gleichen Club verkehrten. Da bleibt es nicht aus, dass jeder über jeden Bescheid weiß. Als Herr Huber diese Nachricht erfuhr, war er so wütend und enttäuscht zugleich, dass er total außer sich war. Er holte sich nach dem Barbesuch von zu Hause seine erst kürzlich neu erworbene Pistole, und ging direkt zum Hotel. An der Rezeption fragte er nach der Zimmernummer von seinem Freund, die er anstandslos bekam. Die Rezeptionistin wurde daraufhin bereits fristlos entlassen. Sie war sowie so noch in der Probezeit. Herr Huber versicherte der Polizei übrigens immer wieder und sehr ernsthaft, mit Tränen in den Augen: ich wollte ihn wirklich nicht umbringen, ich wollte doch nur mit ihm reden. Außerdem war es ein Versehen, der Schuss hatte sich von selbst gelöst. Das nützte ihm jetzt aber nichts mehr, alles sprach gegen ihn, Beweise gab es genug. Er war es. Herr Manfred Huber wurde festgenommen und kam bis zur Verhandlung ins Gefängnis. Der Richter verurteilte ihn später wegen Mord zu 15 Jahren Haft ohne Bewährung, da konnte auch sein Anwalt nichts mehr für ihn machen.

 

Nachwort

Dieses ist mein erster Krimi. Naja, wenn man es Krimi nennen kann. Als ich angefangen habe zu schreiben, wußte ich noch nicht einmal, dass es einer werden soll, geschweige denn, wie er ausgehen soll. Die ganze Handlung war mir bis fast zum Schluß eigentlich selber unbekannt. Ich glaube, dieses ist nicht nur mein erster, sondern auch mein letzter Krimi. In diesem Sinne, vielleicht kann man ihn ja doch mal lesen und wenn nicht, dann hört man eben mitten drin auf.

 

Monika Wolff, Juni 2021, Els Poblets, Spanien