Wanderungen

In Anbetracht der immer noch andauernden Corona-Pandemie gibt es immer wieder neue Verordnungen und Reisevorschriften, wer wann wohin und warum wieso, weshalb reisen darf oder nicht, haben wir unsere Reisen erstmal zurückgestellt. Also kann es von mir keine neuen Reisenachrichten geben, und deshalb schreibe ich jetzt über meine vielen Wanderungen an der Costa Blanca. Wovon ich schönste Erinnerungen und viele, viele Fotos habe.

Meine Wanderzeit an der Costa Blanca fing bereits 2007 an. Es ist zwar schon eine lange Zeit, doch im Nachhinein kann ich nur sagen, dass diese Zeit auch schon viel früher hätte anfangen dürfen. In diesen 13 Jahren war eine Wanderung schöner als die andere und immer wieder anders, auch wenn ich viele Wanderungen mehrfach gemacht habe. Zum Wandern, hier an der Costa Blanca, bin ich durch Nachbarn, Margret und Egon, gekommen. Früher, vor ca. 30 Jahren, als wir noch in Deutschland wohnten, haben wir ab und zu Wanderungen in den Alpen gemacht. Diese sind aber mit den Wanderungen hier in Spanien nicht vergleichbar. Aus verschiedener Hinsicht. Das wandern HIER, haben die Beiden mir schmackhaft gemacht und gemeint, ich müsse unbedingt mal mitkommen. Wir sind inzwischen übrigens gute Freunde geworden. Meine erste Wanderung mit Margret und Egon ging auf den „Mondúver“, zum Aldaia Gipfel, der 755 m hoch ist. Dieser Berg liegt in der Comarca Safor, in der Provinz Valencia. Wir gingen von dem Örtchen La Drova, das man ca.10 Km von Gandia aus in den Bergen erreicht. Schon die Fahrt dorthin, auch durch den kleinen Ort Barx, bestach durch eine eindrucksvolle Bergkulisse. Wir waren einige Stunden unterwegs, bergauf, bergab und passierten die schönsten Landschaften, mit viel Grün, Blumen und sogar mit Korkeichen. Sogar an einem Schneebrunnen, aus dem 18. Jahrhundert, kamen wir vorbei. Bis dahin hatte ich von einem „Schneebrunnen“ noch nie etwas gehört und wußte natürlich auch nicht, was das ist und was dieser zu bedeuten hatte. Ich erfuhr, dass diese Brunnen, die es in den Costa Blanca Bergen übrigens zahlreich gibt, von dem Schneereichtum der vergangenen Jahrhunderte profitierten. Sie wurden im 17. und 18. Jahrhundert erbaut und während des Winters permanent mit Schnee gefüllt. Im späten Frühjahr wurden die begehrten Eisballen dann mit Mauleseln in die Städte gebracht, was damals ein äußerst lukratives Geschäft bedeutete.

 

Auf dem Rückweg dieser ersten Wanderung kamen wir an einer Piniengruppe vorbei, die riesige Tannenzapfen abgeworfen hatte. Tannenzapfen kannte ich natürlich schon immer,  auch von anderen Nadelbäumen, doch ich wußte bisher nicht, dass es die auch in Monstergrößen gibt. Ich habe ein paar sehr schöne Exemplare mitgenommen, die heute immer noch zu meiner Weihnachtsdekoration gehören, und die ich mit einem Schneespray eingesprüht habe. Im übrigen war ich bei meinen ersten zwei oder drei Wanderungen noch nicht wandermäßig ausgestattet. Ich war mir ja nicht sicher, ob es mir gefällt und ich dabei bleiben würde. Also ging ich erstmal in normaler 3/4 Sommerhose (es war Anfang Juli) und T-Shirt, sowie normalen Sportschuhen. Nichtmal einen Wanderstock hatte ich. Aber wozu brauchte ich den auch. Laufen kann ich auch ohne Stock oder Stöcke. Die anderen in unserer Gruppe waren davon gar nicht überzeugt, während ich ohne Stock wirklich gut zurecht kam. Aber ich kam nicht drum herum, auf Zureden der Anderen, mir doch ein Paar zuzulegen. Bei den nächsten Wanderungen merkte ich, was ein Stock für eine Erleichterung beim Wandern sein kann. Also, ab jetzt nur noch mit Stock. Richtige Wanderschuhe kamen auch bald dazu. Denn ich bin natürlich dabei geblieben. Von jeder Wanderung war ich so begeistert, dass ich aus dem Staunen über die wunderschöne Costa Blanca Bergwelt gar nicht mehr raus kam und freute mich jedesmal auf die nächste.

 

Der Wandertag war immer wie ein Urlaubstag. Ich fühlte mich immer weit weg von zu Hause und weit entfernt von der Zivilisation. Obwohl wir meistens nur ca. eine Stunde Anfahrt bis zum Ausgangspunkt hatten. Aber schon ab Beginn der Wanderung gab es keine Häuser und keine Menschen mehr. Nur ganz selten trafen wir mal auf andere Wanderer oder auf Mauerreste und Ruinen, die uns verrieten, dass hier mal Menschen gelebt haben müssen, meistens aus vergangenen Jahrhunderten. Um uns herum also nur Natur pur. Herrlich! Von den Aussichten ganz zu schweigen. Wenn wir den Gipfel erreichten, hatten wir bei fast jeder Wanderung einen Weitblick in alle vier Himmelsrichtungen. Bei sehr guter Sicht konnte man übers Meer sogar Ibiza erkennen. Aber auch das, was wir direkt vor uns sahen, war immer sehenswert. Wir liefen durch die schönsten und verschiedensten Blumenwiesen. Blumen und Pflanzen, die teilweise nur in den Bergen wachsen. Ebenso durch Steineichen- und Kiefernwälder. Aber genauso schön waren für mich die Kletterpartien durch die Felslandschaften, die bei fast jeder Wanderung immer mit dabei waren. Und sogar aus den Felsen wuchsen ganze Grün- oder Blühpflanzen. Oft gingen unsere Wanderwege, die teils sehr steil auf- oder abwärts verliefen, direkt an steilen Abgründen entlang. Zudem bestanden die Wege teilweise aus Geröll, bei dem man leicht ins Rutschen kommt. Vorsicht war also bei jedem Schritt geboten. Zum fotografieren oder Blick genießen mußte man also stehen bleiben. Laufen  und Ausschau gleichzeitig halten war nicht sehr ratsam und konnte schwere Folgen haben.

 

Eine extrem schwere Folge hätte auch unsere Wanderung in der Bernia haben können. Die ganze Wanderung war bis kurz vorm Schluß äußerst schön. Bis unser Weg, mehr ein Trampelpfad, belegt war. Belegt mit riesengroßen, pechschwarzen Kampfstieren, wie man sie im ganzen Land Valencia kennt. Es waren ca. 20 - 30 Stück, die auf und rechts und links von unserem Weg in aller Ruhe rumstanden und uns alle anschauten. Ich glaube wir waren acht Personen, von denen zwei (Berliner übrigens) bereits mitten drin standen, weil diese schon vorgelaufen waren. Sie verhielten sich, als würden sie in einer Ziegenherde stehen und nichts könnte passieren. Sie fuchtelten mit ihren Wanderstöcken rum und riefen uns schon von weitem entgegen: „Guckt mal, was wir hier für eine schöne Stierherde haben“. Mir und auch den anderen wäre beinahe das Herz stehen geblieben bei diesem monströsen Anblick. Was sollten wir jetzt tun. Wir blieben erstmal alle stehen und versuchten unsere beiden „verrückten Berliner“ ruhig zu stellen. Umkehren konnten wir nicht mehr, es war bereits zu spät, sodass wir in die Dunkelheit gekommen wären. Wir hätten wieder auf allen Vieren durch den Kriechtunnel und über Felsen klettern müssen, was bei Tageslicht kein Problem war. Es blieb also nur der Weg nach vorn. Aber keiner traute sich so richtig. Nichtmal Fotos habe ich gemacht. Wir warteten erstmal ab und standen eine Zeit lang nur ruhig da. Die Stiere standen auch ruhig da, beobachteten uns aber noch sehr gut. Den Weg verließen sie mit der Zeit langsam, standen aber immer noch an beiden Rändern. Tja. Wir mußten durch und konnten nur hoffen, dass die Stiere, die aus der Nähe wirklich unheimlich groß und angsteinflößend wirkten, friedlich blieben. Ich war die erste, ich kann's heute noch nicht glauben, aber so war's tatsächlich, die durch den Stierspalier, ohne Blick nach rechts oder links und ganz steif und ohne Stockeinsatz durchging. Die anderen folgten. Ich lief erstmal soweit ich konnte, ohne mich umzudrehen. Danach atmete ich tief durch, und war froh, dass wir alle unbeschadet durchgekommen sind. Wir haben noch lange darüber geredet. Für mich stand fest, felsenfest!, „diese Wanderung werde ich nie wieder machen“.
Und daran habe ich mich bis heute gehalten und werde es auch weiter tun.

 

Mit dem Wetter bei unseren Wanderungen hatten wir meistens Glück. Obwohl es auch Tage oder Stunden gab, an denen wir gefroren oder geschwitzt haben. Wir sind auch mal naß geworden, und mit Wind hatten wir öfters zu kämpfen. Aber meistens waren wir auf alles vorbereitet.

Zum Abschluss noch etwas zu unserer Gruppe. Die ersten Jahre waren wir meistens 8 - 10 Leute. Je mehr Wanderer wir waren, desto länger dauerte die Wanderung. Die Menge hat sich mit den Jahren aber immer mehr dezimiert, vorwiegend aus Altersgründen oder weil welche wieder nach Deutschland oder in die Schweiz zurückgegangen sind, sowie auch unsere zwei „Spezialberliner“. Die letzten Jahre sind wir nur noch zu fünft und jetzt nur noch zu viert gewandert.

Meine, bis jetzt, letzte Wanderung war leider schon am 11. März 2020. Wir waren 4 Personen und gingen ab Pedreguer zum Castell d‘Aixa in der Sierra de Solana. Danach fing leider die Coronazeit an und wir hatten den ersten Lock Down, bei dem keiner mehr in die Berge durfte. Als es im Sommer wieder ging, war es zu heiß, und im Herbst/Winter war nur noch ich in Spanien. Die anderen drei, Margret, Egon und Ursel waren in Deutschland und konnten nicht zurück, weil das Reisen in ganz Europa immer schwieriger wurde, teilweise nichtmal möglich. So sitze ich jetzt hier und warte auf bessere Zeiten. Natürlich sitze ich nicht die ganze Zeit nur rum. Meine Bewegung beschaffe ich mir durch ausgedehnte, tägliche Hundespaziergänge. Die sind zum Glück noch möglich, im Gegensatz zum Frühjahr, wo man auch das nicht mehr durfte. Ansonsten bin ich auch gut beschäftigt. Aber das wandern in den Bergen fehlt mir schon sehr.

 

Monika Wolff, Els Poblets, Januar 2021